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Historischer Rundgang

Rundgang durch die Stadt (Altes Quedlinburg)

Aus dem Bahnhof tritt man auf dem Bahnhofsvorplatz und den von ihm durch die Bode getrennten Reichsplatz. Schon an dieser Stelle zeigt sich Quedlinburg auch als eine moderne Stadt. Der Bahnhofsvorplatz ist einer der schönsten im Reiche. Wir gehen an der Flora vorüber, die auf die durch ihre Blumenfelder weit berühmte Stadt hindeutet, überschreiten die nach dem großen Hochwasser vom 31.12.1925 zerstörte und neu aufgebaute Ebertbrücke und sehen auf dem Reichsplatz rechts das schöne Siegesdenkmal von Anders, das die Ruhmestat der 7. Kürassiere in der Schlacht von Mars la Tour verherrlicht. Links steht in den Anlagen die Manzelsche Bronze-Gruppe „Friede durch Waffen geschützt “, die als eine der bedeutendsten Leistungen der neueren deutschen Bildhauerkunst gilt. Die Bahnhofstraße weist den Weg in die Altstadt. Wir schreiten an der Post, und an der Loge zur goldenen Waage, rechts, vorbei und gelangen in die Heiligegeiststraße. Rechts steht das Jugendheim mit Jugendherberge. Ihm folgt das Gymnasium , das unter tätiger Mitwirkung Luthers und Melanchthons bereits 1540 gegründet wurde und besonders in der Hälfte des 17. Jahrhunderts einen großen Ruhm genoss. Die Dichter Julius Wolff und Georg Ebers sowie der frühere Kultusminister Bosse waren seine Schüler. Die Gymnasial-Bibliothek, zählt rund 14000 Bände 100 zum Teil sehr wertvolle Handschriften. Durch die Straße Mummental vom Gymnasium getrennt liegt das Kreishaus des Landkreises Quedlinburg.

Wir kommen nun in die eigentliche Altstadt und finden am Eingang der Steinbrücke das Geburtshaus des Geographen Carl Ritter. Die Steinbrücke ist eine noch heute erhaltene Brücke von 23 Bögen, die jetzt rund 2m unter dem Straßenpflaster liegen, und stammt aus dem 12. Jahrhundert. Trotz ihrer Enge ist sie noch heute Hauptverkehrsstraße. Sie führt zum Markt und stößt auf das Hotel „Zum Bär“, Geburtshaus des Dichters Julius Wolff. Von hier aus genießt man eines der schönsten mittelalterlichen Städtebilder Deutschlands. Trotz unschöner neuer Einbauten bietet der Marktplatz auch heute noch das Bild einer seltenen Geschlossenheit. Die Gruppierung der Häusermassen ist fein abgewogen und die Betonung markanter Gebäude trifft besonders gut in Erscheinung. Wir sehen links an der Schwertgasse das schöne Eckhaus mit seinen überkragenden Stockwerken, im Hintergrund das Rathaus aus dem 14. Jahrhundert mit seinem prächtigen Renaissance-Portal , vor dem der alte Roland Wache hält; hinter dem Rathaus die alte Marktkirche und hinter dieser wieder der Turm der Aegidiikirche. Wir sehen in den Hoken , der das Rathaus von der links von ihm stehenden Häusergruppe trennt, und wir bekommen Lust, auch das alte Rathaus zu besichtigen, dessen Bildersammlungen aus alter und neuer Zeit gern betrachtet werden, und das als besondere Sehenswürdigkeit auf seinem Boden den so genannten Raubgrafenkasten enthält. Die Gegend um das Rathaus mutet den Gast aus einer neueren Stadt völlig mittelalterlich an. Geht man durch den Hoken, so kommt man zu dem so stimmungsvollen Marktkirchhof, der mit seinen alten, buntbemalten Holzhäusern und dem wuchtigen Massiv der Marktkirche einen so traulichen Eindruck macht. In unmittelbarer Nähe des Marktkirchhofs und des Kornmarktes , auf der anderen Seite der Kirche, schließen sich nach Osten zu die engen Straßen des „Stieg", der „Jüdengasse" und der „Bockstraße" an, die nur etwa 3-4 m Breite haben. Auf dem Kornmarkt betrachten wir noch das wundervolle im Barockstil errichtete Erbbegräbnis des Bürgermeisters Andreas Goetze und tun dann einen Blick in das Amtsgericht, das bemerkenswerten Barockstuck an den Wänden und Decken fast sämtlicher Zimmer aufweist. Wir statten auch der Marktkirche selbst einen Besuch ab und gehen dann in die Breite Straße, wo sich das Restaurant „Zur Rose" uns als einer der schönsten Holzbauten der Stadt im niedersächsischen Stil mit prächtiger Bemalung präsentiert.
Wer weniger Zeit hat, geht nun die Breite Straße wieder zurück über den Markt zur Hohen Straße und kommt zur St. Blasiikirche , die mit ihrem Turm auf das Jahr 1000 zurückgreift und 1714/15 als Barockbau neu errichtet wurde: Beachtlich in der Blasiikirche sind die so genannten Holzemporen. Gegenüber der St. Blasiikirche geht man durch die Wordgasse zum Fachwerkhause Nr. 3, dem ältesten der Stadt, vielleicht noch aus dem 14. Jahrhundert. Das Haus stammt aus einer Zeit, wo man den Bau mit überragenden Stockwerken noch nicht kannte. Es ist ein Ständerbau mit inmitten eingezogenen und verpflöckten Querbalken. Vor diesem Hause sieht man auch die belebende Wirkung des Wassers im Stadtbild. Es lohnt sich, ein paar Schritte mühlgrabenaufwärts zu gehen und einen Blick in den alten Fleischhof zu tun. Nach dieser Abschweifung führt uns der Weg wieder in die Hohe Straße und Lange Gasse. Das Eckhaus, Restaurant „Zum weißen Engel", besitzt an einer Zimmerdecke alten Stuck mit Darstellungen aus dem Buche Tobias.

Und nun gelangt man zum ältesten Teile de Stadt, dem Schlossviertel. Die Straße verengt sich, hoch über ihr sieht man vorn bereits die Türme des Domes winken. Aber noch gibt es mancherlei zu betrachten. Die Straße gabelt sich und gibt den Platz frei, auf dem vor über 1000 Jahren dem Sachsenherzog Heinrich 1. von den Grossen des Reiches die Kaiserkrone dargebracht sein soll: „Den Finkenherd ". Inmitten des Platzes steht eine kleine Häusergruppe, von der besonders das vordere kleine Häuschen unser Interesse erregt. Solche Städtebilder dürfte unser Vaterland nur wenige aufweisen. Wir gelangen zum Schlossplatz. Auf der rechten Seite des Platzes steht das alte, schöne Patrizierhaus mit dem von Säulen getragenen Erker, in dem der Messiasdichter Friedrich Gottlieb Klopstock das Licht der Welt erblickte. Die Stadt hat es vor einigen Jahrzehnten in dankbarer Erinnerung an ihren größten Sohn erworben und dort eine reichhaltige Sammlung von Erinnerungen an den Erneuerer deutscher Dichtkunst aufgestellt. Zahlreich und beachtlich sind die Bildnisse, Briefe und Druckwerke, die sich auf Klopstock und seinen Freundeskreis, aber auch auf bekannte Quedlinburger beziehen. Unmittelbar neben dem Klopstockhaus befindet sich die Wohnung des Künstlers, der dem Dom und seine Sehenswürdigkeiten zeigt, und nun gehen wir zum Schloss und Dom selbst, die vom hochragenden Sandsteinfelsen auf uns herunterschauen. Wir benutzen die Freitreppe und gehen durch den alten Zwinger nach dem Schlosshof . Wir wenden uns rechts und kommen in das eigentliche Schloss, das heute die großen Sammlungen des städtischen Heimatmuseums beherbergt. Nachdem die Räume über ein Jahrhundert lang verödet waren, sind sie nunmehr am zweckmäßigsten verwendet worden. Das Quedlinburger Heimatmuseum ist das schönste und bestangelegte in weitem Umkreis. Seine reichen Schätze führen uns von der Vorgeschichte bis zur Neuzeit und geben eindringlichst Aufschluss über Landschaft, Kultur und Geschichte des Ostharzes und der Stadt, die sich mit Recht und Stolz seinen Vorort nennt. Wer das Museum durchwandert, wird auch entzückt von dem Blick sein, der sich ihm weit über die Stadt mit ihren giebligen Dächern hinaus in das Harzvorland bietet, und er wird Lust verspüren, nach Besichtigung des Museums seine Schritte in den neu angelegten Schlossgarten zu lenken, und von hier aus seine Blicke über die Stadt nach dem nahen Harz schweifen zu lassen, der, wie Klopstock sagt, vor ihm ausgebreitet liegt wie ein Weihnachtsgeschenk. Aus der Kenntnis der Landschaft heraus wird mancher den Zusammenhang dafür finden, warum gerade Quedlinburg berufen war, vor 1000 Jahren in des Deutschen Reiches Geschichte eine so gewaltige Rolle zu spielen, und mit Andacht wird der Besucher des Domes in der Krypta , die vor 1000 Jahren Heinrich sich als Hofkirche erbaute, von dem Gründer des Deutschen Reiches, von seiner Gemahlin Mathilde und den Äbtissinnen hören, die jahrhunderte lang das freiweltliche Damenstift regierten. Aber auch die Geschichte des über der Krypta erbauten Domes wird sein Ohr finden. Zwar sind die sagenhaften Schätze, die der Dom früher beherbergte, nicht mehr alle vorhanden. Aber noch immer ist der Domschatz mit seinen 47 Sehenswürdigkeiten ein Zeichen dafür, wie das Quedlinburger Stift mit auserlesenem Geschmack und großen Mitteln ausgestattet war, und wie kunstvolle Arbeit auf dem Stift gepflegt und getätigt wurde. Und wer bei der Besichtigung des Domes auf die Schlossterrasse tritt, der sieht unterhalb des Schlosses den alten Königshof der Ludolfinger liegen, von dem aus die Kolonisation des deutschen Ostens ihren Anfang nahm. Der Weg dorthin führt uns zurück vom Schloss durch die malerischen Klippen des Schlossberges über die Mühlenstraße am Münzenberg vorbei, auf dem schon 986 ein Kloster erbaut wurde, das 1525 in dem Bauernkrieg zerstört wurde. Heute macht die Münzenbergsiedlung , die an die Hänge des Berges gebaut ist, den Eindruck eines italienischen Dörfchens. Es lohnt sich, diese eigenartige Siedlung zu besuchen, genießt man doch von ihr eine besonders schöne Aussicht auf Stadt und Schloss .
Wer sich aus Mangel an Zeit den Aufstieg zum Münzenberg nicht leisten kann, der wandert nun längs des Mühlgrabens aufwärts zum Brühlfriedhof, der mit seinen vielen Grabgewölben und wertvollen Grabzeichen ein schönes Beispiel alter Friedhofskunst ist und geht über den Brühlfriedhof zur Wipertikrypta, der alten Kirche der Ludolfinger, einer der größten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Von hier aus sind es nur wenige Schritte zum alten Stadtpark Brühl, der schon 1179 urkundlich erwähnt wird und als Lustwäldchen samt den vor ihm liegenden großen Gärten zum nahen Schlosse gehörte. Am Brühl fesselt nicht nur seine Geschichte, sondern auch die Reichhaltigkeit seltener Bäume. Im Brühl hat die Stadt ihrem Sohn Friedrich Gottlieb Klopstock schon 1831 ein stimmungsvolles Denkmal , dessen Ausbau von Schinkel und dessen bronzene Büste von Tieck geschaffen wurde, erbauen lassen. Wir kehren nun wieder zur Stadt zurück und beachten noch im Vorbrühl das
Denkmal des Geographen Carl Ritter, der im Jahre 1779 geboren wurde, und kommen dann, dem Wasser folgend, zur
Stumpfsburger Brücke , von der aus man die Geschäftshäuser der beiden größten Saatzuchtfirmen, der Gebr. Dippe A.-G. links und Heinrich Mette rechts, liegen sieht. Es kann nur empfohlen werden, von der Erlaubnis, die gern erteilt wird, Gebrauch zu machen und sich über die Eigentümlichkeiten Quedlinburger Saatzuchtwirtschaft durch Besichtigung wenigstens der Gewächshäuser zu unterrichten. Der Stumpfsburger Garten der Firma Heinrich Mette bietet den ganzen Sommer hindurch eine Musterkarte der vielen Blumen, die in Quedlinburg gezüchtet werden. Am rechten Bodeufer entlang kommt man dann zum Bahnhof.

Es ist zweckmäßig, statt des eben aufgezeichneten kleineren Rundgangs aber von vornherein einen größeren zu wählen, der etwa eine Stunde mehr in Anspruch nimmt. In diesem Falle biegt man bei der Post rechts vor der Heiligegeiststraße ab in die Pölkenstraße. Schon nach wenigen Schritten erblickt man die hochragende St. Nikolaikirche, die die Pölkenstraße nach dem Hintergrund zu abzuschließen scheint. Staunend erkennt man die Kunst mittelalterlicher Baumeister, die ungeahnte Wirkungen dadurch erzielten, dass sie die Straßen leicht krümmten und monumentale Bauwerke durch fein abgestimmte Beziehungen zu ihrer Umgebung stark in ihrer Wirkung erhöhten. Die Anlage der Pölkenstraße mit St. Nikolai kann geradezu als Schulbeispiel mittelalterlichen Städtebaues gewertet werden. Man geht von der Pölkenstraße durch die Kaplanei zur Nikolaikirche selbst und schreitet über den Kirchplatz durch einen der in Quedlinburg öfters anzutreffenden Häuserdurchbrüche nach dem Steinweg. Der kleine Platz am Steinweg ist in seiner baulichen Ausgestaltung besonders anziehend. Man betrachtet zunächst das Eckhaus mit Erker Nr. 23 und dann von diesem aus rückwärts die Häuser Nr. 67 und 68 , überragt von den hohen Kirchtürmen. Geht man den Steinweg links hinauf, so kommt man zum Mathildenbrunnen, der auf der Stelle des 1890 abgebrochenen Neustädter Rathauses steht, und weiter gerade aus über den Mühlgraben rechts zum St.-Annen-Hospital, da 1433 von der Gewandschneiderinnung erbaut wurde. Jenseits eines zweiten Mühlgrabens erblicken wir den schöne Renaissancebau des von Hagenschen Freihauses das um 1559 erbaut wurde und reich geschnitzte und eingelegte Prachttüren und Decken enthält. Wir durchwandern die enge Bockstraße, die die Hauptverbindung zwischen Osten und Westen darstellt, und kommen zum Kornmarkt und zur Breiten Straße. Wir wenden uns rechts und gehen an dem Fachwerkhaus der „Rose" vorbei und links durch die Dippestraße über Schmale Straße bis zur Goldstraße. Der Ausblick von der Schmalen Straße durch die Goldstraße nach dem von Albrecht von Regenstein erbauten Schreckensturm ist für jeden Freund mittelalterlichen Städtebaues noch heute eine besondere Freude. In unmittelbarer Nähe de Schreckensturmes, in dem früher das hochnotpeinliche Gerichtsverfahren angewandt wurde, liegt die St. Aegidiikirche, mit ihrem noch bis zur Mitte des vorige Jahrhunderts benutzten Friedhof mit bemerkenswerten Grabzeichen.
Wir gehen nun durch das Neuendorf zurück zum Kornmarkt und machen dann entweder gleich den Rundgang wie oben beschrieben oder gehen auch zunächst noch über den Kornmarkt links in den Stieg, besichtigen auf ihm rechts Nr. 28 die Häusergruppe des alten Klopstock und gehen weiter zur Pölle, wo Nr. 39 das Geburtshaus von Joh. Chr. Guts Muths, des Begründers der Turnkunst, ist - sein Denkmal steht auf dem anliegenden Mummentalplatz - und kommen dann zum Marktplatz durch die Hölle oder Pölle, um die Besichtigung der Stadt weiter, wie sie am Anfang beschrieben wurde, vorzunehmen.



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